Falsche Politikerauswahl

Beitragsbild Politikerparadox
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Eine erfolgreiche Organisation zeichnet sich dadurch aus, dass die Fähigkeiten, die man braucht, um ein Amt zu bekommen, sich mit denen decken, die das Amt erfordert. Wenn das nicht der Fall ist, kommen die falschen Leute in die wichtigen Positionen. Das gilt auch für ein ganzes Land.

Genau das passiert gerade in Deutschland: Es braucht ganz andere Kenntnisse und Fähigkeiten, um ein politisches Amt zu bekommen, als es braucht, um das Amt auszufüllen. Ergebnis: Für ihr Amt ungeeignete Amtsträger.

Graphische Veranschaulichung

Zur Veranschaulichung zeichnen wir einen Kreis. Dort bilden wir die für eine bestimmte Tätigkeiten nötigen Qualifikationen, also die benötigten Fähigkeiten, Kenntnisse und charakterliche Eigenschaften, durch Pfeile ab, die vom Mittelpunkt zum Rand gehen (siehe Graphik 1).

Die Art der Tätigkeit wird durch die Richtung des zugehörigen Pfeils ausgedrückt. Die für die Tätigkeit notwendige Qualifikation wird durch die Punkte auf dem Pfeil dargestellt, wobei das Qualifikations-Niveau vom Mittelpunkt des Kreises nach außen ansteigt: eine niedrige Qualifikation („Anfänger“) befindet sich nahe des Kreismittelpunkts, eine höhere („Fortgeschrittener“) weiter außen; ganz außen sind die Experten. Für zwei Pfeile gilt: Desto ähnlicher die von ihnen symbolisierten Tätigkeiten und die dafür nötigen Qualifikationen, desto mehr zeigen sie in die gleiche Richtung.

Diese Darstellung stellt Tätigkeitsqualifikationen zweidimensional auf einer Kreisfläche dar. Das ist eine Vereinfachung, die für diese Veranschaulichung aber ausreicht.

Graphik 1

In Graphik 1 symbolisiert Pfeil A ein politisches Amt (etwa Kanzler oder Minister). Ein nicht so qualifizierter Amtsinhaber würde sich auf dem durch den gelben Punkt bezeichneten Qualifikationsniveau befinden (Niveau 1). Ein besserer befände sich bei dem grünen Punkt (Niveau 2) und ein exzellenter an der Pfeilspitze.

Pfeile B, C und D stehen für drei andere Tätigkeiten und deren Qualifikationen. Die Richtung der Pfeile zeigt an, dass die Qualifikation für B der Qualifikation für A erheblich ähnlicher ist als die Qualifikation für C. Pfeil D steht für eine Qualifikation mit Aspekten, die einer guten Amtsführung von A sogar entgegen stehen.

Von zwei Bewerbern für das Amt A wäre der mit Qualifikation B geeigneter als der mit Qualifikation C, da sein Qualitätsprofil viel näher an dem von A liegt und er viele seiner Kenntnisse und Fähigkeiten aufs neue Amt A übertragen könnte. Von zwei Bewerbern mit Qualifikation B würde man den bevorzugen, der dort höhere Fähigkeiten aufweist. Einen Bewerber mit Qualifikation D könnte man für Amt A gar nicht gebrauchen, auch wenn er in seiner Tätigkeit D ganz ausgezeichnet sein mag.

Zur Illustration eine Sport-Analogie: Zu einem Weitsprung-Wettbewerb (dargestellt durch Pfeil A) sollte ein Sportverein den Weitsprungmeister des Vereins schicken. Gibt es keinen, dann vielleicht den Meister im 100-Meter-Lauf (Pfeil B), da die Fähigkeiten zwar nicht gleich, aber doch ähnlich sind. Weniger gut wäre es, sie würden ihren besten Kugelstoßer schicken (Pfeil C) – immerhin noch jemanden mit athletischen Fähigkeiten. Ihr Schachmeister (Pfeil D) wäre eine schlechte Wahl.

Angewandt auf die Politik: Ein politisches System sollte im ersten Schritt Kandidaten mit solchen Qualifikationen an die Spitze bringen, die den Anforderungen der zu besetzenden Ämter möglichst nahe kommen; sind solche Kandidaten nicht schon vorhanden, so muss es sie ausbilden. Im zweiten Schritt sollte das System das Amt auch tatsächlich dem geeignetsten unter den Kandidaten geben. Aber tut unser System das?

Die politische Praxis

In der Praxis erfolgt die Besetzung der Ämter im politischen Wettbewerb. Entscheidend ist der innerparteiliche Wettbewerb. Dort werden die Kandidaten ausgewählt, die dem Wähler als Kandidaten präsentiert werden und die, bei Wahlerfolg, die politischen Ämter besetzen.

Wie nahe kommt nun die Qualifikation der so bestimmten Kandidaten an die Anforderungen der zu besetzenden Ämter? Nicht sehr nahe. In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich nach Feststellungen vieler Beobachter die „Qualität der Politiker“, d.h. deren Befähigung, politische Ämter zum Wohl des Landes auszuüben, deutlich verschlechtert.

Graphik 2

Graphik 2 veranschaulicht dies: Die Qualifikation derer, die im innerparteilichen Wettbewerb zu Kandidaten für politische Ämter geworden sind, hat sich im Laufe der Zeit nach links unten gedreht, auf vielleicht auf P-1, P-2 oder gar P-3. Für diese Bewegung steht der rote Pfeil nach links unten.

Die Fähigkeiten, die man braucht, um sich im innerparteilichen Wettbewerb als politischer Kandidat durchzusetzen, sind ganz andere als die, die die politischen Ämter erfordern.

In Sprache des Sports würde man sagen: Es ist, als ob zum Wettbewerb des Synchronschwimmens die Sportvereine ihre Vereinsmeister im Schwergewichtsboxen schicken würden. Sie sind zwar gut in ihrer eigenen Disziplin (hier: dem Boxen), aber ungeeignet für die Aufgabe, zu der man sie schickt. In ähnlicher Form sind unsere „Spitzenpolitiker“ hochqualifiziert in der Disziplin des innerparteilichen Machtkampfes, aber immer ungeeigneter für die Aufgabe des Regierens unseres Landes. (Eine konkretere Darstellung des Problems gibt dieser Beitrag.)

(Ich nenne hier absichtlich keine Namen, um mich nicht in Einzeldiskussionen zu verlieren. Wer unter den jetzigen (2023) Bundesministern Ungeeignete und völlig Ungeeignete sucht, wird sicher schnell fündig. Und auch die Opposition hat immer weniger Personen im Angebot, die als Minister wirklich geeignet wären. Für Details gibt es externe Quellen hier.)

Das Ziel

Ziel muss es sein, diese Entwicklung umzukehren. Pfeil P der Kandidatenauswahl für politische Ämter muss sich wieder zurückdrehen (grüner Pfeil nach rechts oben) in Richtung auf den Pfeil A. Wir können dabei keine Perfektion erwarten, also dass Pfeil P mit Pfeil A identisch würde. Ein Gut-Genug, dargestellt durch den Pfeil P-0, wäre schon eine bedeutende Verbesserung.

Welche Änderungen nötig sind und wie die sich dann im politischen System durchsetzen lassen, ist die große, ungelöste Frage, deren Diskussion diese Website anstoßen will. Eine Parteienreform kann einen Beitrag dazu liefern.

(Die Frage, was zu dieser Verschlechterung der Politikerauswahl geführt haben könnte, wird an anderer Stelle dieser Website diskutiert. Mögliche Ursachen sind Aspekte der innerparteilichen Organisation sowie weitere, auch außerparteiliche gesellschaftliche Veränderungen.)

Siehe auch Literaturhinweise

Beitragsgraphik vom Verfasser